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Mikroemulsion

Eine Mikroemulsion ist ein stabiles Gemisch aus nicht ineinander löslichen Flüssigkeiten (meist Öl/Wasser), das unter Beteiligung eines Tensids und meist auch eines Cotensids spontan oder mit nur geringem initialem Energieeintrag gebildet wird. Unter gleichbleibenden Druck- und Temperaturbedingungen trennen sich Mikroemulsionen nicht wieder in die einzelnen Phasen auf; sie verhalten sich darin grundlegend anders als Emulsionen.

Welche Eigenschaften haben Mikroemulsionen?

In einer Mikroemulsion liegen zwei Phasen als Gemisch mit feinster Verteilung von winzigen Tröpfchen vor (zwischen 10 und 100 nm). Mikroemulsionen sind zwar keine Lösungen, ähneln diesen aber im physikalischen Verhalten. Anders als Emulsionen bilden sie sich spontan oder mit nur geringem Energieeintrag, jedenfalls ohne intensives Schütteln oder Rühren. Entsprechend trennen sich die Phasen nicht wieder auf, solange die Zusammensetzung (z. B. der Salzgehalt) sowie die Temperatur und der Druck unverändert bleiben.


Da die Größe der Tröpfchen unterhalb der Wellenlänge des sichtbaren Lichts liegt (<380 nm), sind Mikroemulsionen transparent. Durch Lichtstreuungseffekte sind sie oft milchig-trübe und schimmern im Durchlicht bläulich (Opaleszenz).

 

Mikroemulsionen können in einer einzigen Phase oder als Dreiphasensystem mit einer wässrigen und einer organischen Exzessphase vorliegen. 

Dreiphasensystem mit einer organischen Phase, einer Mikroemulsion und einer wässrigen Phase (von oben nach unten); Foto: IdlenessOfLove
Dreiphasensystem mit einer organischen Phase, einer Mikroemulsion und einer wässrigen Phase (von oben nach unten); Foto: IdlenessOfLove
Sind Mikroemulsionen echte Emulsionen?

Die Bezeichnung „Mikroemulsion“ hat sich historisch durchgesetzt, ist aber irreführend, weil es sich nicht um Emulsionen im eigentlichen Sinne handelt. Emulsionen bilden größere Tröpfchen und entstehen nicht spontan, sondern müssen intensiv mechanisch durchmischt werden. Zudem sind Emulsionen thermodynamisch instabil; ihre Phasen trennen sich mit der Zeit wieder auf, wobei der Zeitraum dafür sehr unterschiedlich lang sein kann.


▶ Erfahren Sie mehr in unserem Glossarartikel zum Thema Emulsionen.

Wo werden Mikroemulsionen eingesetzt?

Mithilfe von Mikroemulsionen lassen sich organische, sonst mit Wasser nicht mischbare Substanzen in feinster Verteilung mobilisieren, ohne dass eine Phasentrennung auftritt. Diese Fähigkeit bietet ein breites Feld von Anwendungsmöglichkeiten:

 

  • Tertiäre Erdölförderung (Enhanced Oil Recovery, EOR): Beim Tensidfluten wird das Flutungsgemisch in die Lagerstätte gepumpt, wo es – bei optimaler Formulierung der Lösung – zusammen mit dem Öl eine Mikroemulsion bildet und es mobilisiert.
  • Lebensmittelindustrie: Mikroemulsionen lösen hydrophobe Vitamine oder Aromen und verlängern die Haltbarkeit empfindlicher Inhaltsstoffe. 
  • Pharmazie: Mit Medikamenten, die auf Mikroemulsionen basieren, können Wirkstoffe im Körper transportiert und schließlich am Wirkungsort aufgenommen werden.
  • Kosmetik und Körperpflege: Mikroemulsionen sorgen für eine gute Aufnahmefähigkeit durch die Haut und für eine gleichmäßige Verteilung.
  • Chemische Synthesen: Mikroemulsionströpfchen können als winzige „Reaktoren“ dienen, um bestimmte Nanopartikel gezielt herzustellen. Bei der Emulsionspolymerisation für Latex sorgen Mikroemulsionen für gleichmäßige, definierte Partikelgrößen.
Wie hängt die Entstehung von Mikroemulsionen mit der Grenzflächenspannung zusammen?

Um zwischen zwei nicht mischbaren Phasen eine Grenzfläche auszubilden, muss Arbeit verrichtet werden, die sich in der Grenzflächenspannung (GFS) ausdrückt. Die GFS ist die Arbeit, die pro Flächeneinheit verrichtet werden muss, um eine Grenzfläche zu vergrößern.


▶ Lesen Sie auch unseren Glossarartikel zum Thema Grenzflächenspannung.

 

Da die Zerteilung einer Flüssigkeitsmenge in Tropfen zur Bildung einer Emulsion mit einer Vergrößerung der Grenzfläche einhergeht, muss die Grenzflächenspannung überwunden werden (durch Rühren, Schütteln, etc.). Tenside, die als Emulgatoren eingesetzt werden, verringern die Grenzflächenspannung und ermöglichen so die Bildung kleinerer Tröpfchen und stabilerer Emulsionen.


Bei einer Mikroemulsion wird die GFS auf annähernd 0 mN/m reduziert, sodass Öl und Wasser sich „freiwillig“ mischen und das Gemisch stabil bleibt, sofern sich die Temperatur und die Zusammensetzung nicht ändern (Details dazu weiter unten). Die notwendige, drastische Absenkung der GFS erfolgt häufig in einem engen Temperaturbereich sowie einem kleinen Fenster für den Tensid- und Salzgehalt. 

Wie sehen typische Formulierungen für Mikroemulsionen aus?

Als Grundlage für die Herstellung von Mikroemulsionen dienen Tensidlösungen. Die Konzentration liegt dabei oft zwischen 10% und 20% und ist damit in der Regel höher als die Dosierung für klassische Emulsionen. Außerdem enthalten die Gemische ein Cotensid, meist ein kurzkettiger Alkohol (Butanol, Pentanol) oder ein Amin. Diese Komponente flexibilisiert den Tensidfilm um die emulgierten Tröpfchen und verringert den Krümmungsdruck, was die Bildung kleinerer Tröpfchen erleichtert. 

Welche Messmethoden helfen bei der Herstellung von Mikroemulsionen?

Als Tensiometer bezeichnete Messinstrumente erfassen die Grenzflächenspannung (GFS), um die Neigung zur Bildung herkömmlicher Emulsionen sowie deren Stabilität zu bewerten. Für die Formulierung von Mikroemulsionen sind klassische tensiometrische Ansätze wie die Ringmethode oder Plattenmethode zwar hilfreich; sie erfassen jedoch nicht den relevanten Bereich extrem geringer GFS-Werte. Für deren Messung werden Spinning Drop Tensiometer eingesetzt.

Spinning Drop Tensiometer SDT von KRÜSS zur Messung extrem geringer Grenzflächenspannungen
Spinning Drop Tensiometer SDT von KRÜSS zur Messung extrem geringer Grenzflächenspannungen

Die Spinning-Drop-Technik misst die GFS anhand der Verformung eines (Öl-)Tropfens, der sich in einer rotierenden Kapillare befindet, welche mit der spezifisch schwereren (wässrigen) Phase gefüllt ist. Bei dieser Methode steht ein besonders großer Messbereich bis hinunter zu 10-6 mN/m zur Verfügung. (Zum Vergleich: Die GFS zwischen Wasser und Sonnenblumenöl liegt bei 20-35 mN/m). Das Konzentrations- oder Temperaturfenster für die Bildung einer Mikroemulsion lässt sich anhand von Messreihen identifizieren.

Beispiel für die extreme Absenkung der Grenzflächenspannung (interfacial tension, IFT), erfasst mit einem Spinning Drop Tensiometer. In diesem Anwendungsfall wurde der Einfluss des Phosphatgehalts einer Formulierung untersucht. Abb. aus [1].
Beispiel für die extreme Absenkung der Grenzflächenspannung (interfacial tension, IFT), erfasst mit einem Spinning Drop Tensiometer. In diesem Anwendungsfall wurde der Einfluss des Phosphatgehalts einer Formulierung untersucht. Abb. aus [1].

Lesen Sie zu diesem Thema auch unsere Applikationsberichte AR273 („Ultraniedrige Grenzflächenspannung bei der tertiären Erdölförderung (EOR)“) und AR288 („Von einem nicht mischbaren Wasser-Öl-System bis zur extrem geringen Grenzflächenspannung einer Mikroemulsion“).

Gibt es eine wissenschaftliche, thermodynamische Erklärung für die Bildung von Mikroemulsionen?

Das Zusammenspiel der Phasen sowie deren Wechselwirkungen mit Tensiden und Cotensiden bei der Entstehung von Mikroemulsionen sind komplex, lassen sich aber vereinfachend und plausibel anhand der Gibbs-Helmholtz-Gleichung beschreiben.  


Die Gibbs-Helmholtz-Gleichung als Richtschnur für spontan ablaufende Prozesse

Darüber, ob ein thermodynamischer Vorgang spontan abläuft, entscheidet die Gibbs-Energie G, auch als freie Enthalpie bezeichnet. Die Gibbs-Helmholtz-Gleichung beschreibt diese Größe bzw. deren Änderung ΔG wie folgt:

ΔG = ΔH – TΔS

Ist ΔG negativ, läuft der Prozess spontan ab, während er bei positivem ΔG durch Energiezufuhr unterhalten werden muss. 


ΔH ist die bei einer Reaktion freiwerdende (ΔH = negativ) oder die für sie benötigte (ΔH = positiv) Energie, die als Enthalpie (aber nicht als freie Enthalpie, s.o.) bezeichnet wird. S ist die Entropie, ein Maß für die Unordnung eines Systems. Anders ausgedrückt beschreibt S die „Freiheit“ – den Grad, zu dem ein System unterschiedliche Zustände einnehmen kann. T ist die absolute Temperatur (Kelvin-Temperatur).

 

Bedeutung der Gibbs-Helmholtz-Gleichung für Mikroemulsionen
Die Terme der Gibbs-Helmholtz-Gleichung werden häufig herangezogen, um die Gibbs-Energie ΔG bei der Emulgierung näherungsweise zu beschreiben. Zunächst ist die Bildung kleiner Tröpfchen bei der Emulsionsbildung mit einer positiven Enthalpie ΔH verbunden, weil Energie aufgewendet werden muss, um gegen die Grenzflächenspannung γ die Oberfläche A zu vergrößern:

ΔH = γ · ΔA

Die Entropie nimmt bei der Emulgierung zu (positives ΔS), weil ein geordnetes System (zwei getrennte Phasen) in ein ungeordnetes überführt wird (durchmischte Phasen).


Wird durch eine geeignete Tensidformulierung die Grenzflächenspannung γ auf einen Wert von annähernd 0 herabgesetzt, dann wird der Entropieterm TΔS größer als der Enthalpiebeitrag ΔH. Als Resultat wird ΔG in der Gibbs-Helmholtz-Gleichung negativ. In diesem Fall bildet sich eine Mikroemulsion, weil die Zerteilung eines Volumens in kleine Tröpfchen energetisch bevorzugt ist.

Literatur
  • H.-D. Dörfler: Grenzflächen- und Kolloidchemie. Weinheim, New York, Basel, Cambridge, Tokyo 1994. S. 281-293
  • C. Solans, H. Kunieda (Hrsg.): Industrial Applications of Microemulsions. Surfactant science series 66, New York 1997.
  • B. Vonnegut: Rotating bubble method for the determination of surface and interfacial tension. Review of Scientific Instruments, 13 (1942). S. 6–9. 
Einzelnachweise
  • [1] J. Zhang, G. Li, F. Yang, N. Xu, H. Fan, T. Yuan, L. Chen: Hydrophobically modified sodium humate surfactant: Ultra-low interfacial tension at the oil/water interface. Appl Surf Sci 2012, 259, S. 774-779.